„Wir för­dern und for­dern die Talen­te“

©  Marco Walter

Wenn es darum geht, den Nachwuchs der Austria Klagenfurt in die Erfolgsspur zu bringen, dann vergisst Wolfgang Schellenberg schon mal die Zeit. Nicht selten ist es so, dass der 51-Jährige am Morgen das Licht in der Geschäftsstelle ein- und am Abend auch wieder ausschaltet. In der Rubrik „Am Stadionkiosk“ spricht „Schelle“ über seine Rolle als Akademie-Boss der Violetten.

Wie bewer­test Du die Ent­wick­lung im Jugend­be­reich des Ver­eins in den zurück­lie­gen­den Jah­ren?

Ich den­ke, dass wir eine kon­ti­nu­ier­li­che Stei­ge­rung in den letz­ten drei Jah­ren vor­ge­nom­men haben. Wir haben mehr oder weni­ger bei null ange­fan­gen, sprich auf einer kom­plett regio­na­len Ebe­ne. Nach dem ers­ten Jahr haben wir die Aka­de­mie-Lizenz erhal­ten und konn­ten damit auf die natio­na­le Ebe­ne auf­stei­gen. Jetzt sind wir im drit­ten Jahr und in allen Jahr­gän­gen kon­kur­renz­fä­hig. Wir ver­su­chen jede Sai­son eine Stu­fe wei­ter­zu­ge­hen. Uns ist aber ganz klar bewusst, dass man viel­leicht ein­mal für eine Stu­fe zwei Jah­re benö­tigt.

Was hat sich in den Jah­ren im Ver­lauf Dei­ner Amts­zeit ver­än­dert?

Infra­struk­tu­rell haben wir das Klub­haus wie­der ins Leben geru­fen, auch wenn es schon ein wenig in die Jah­re gekom­men ist. Und wir haben deut­lich mehr Plät­ze dazu­be­kom­men, auch wenn sie noch sehr ver­streut sind. Hier muss es unser Ziel sein, die­se zu zen­trie­ren. Sport­lich sind wir in den ÖFB-Ligen ange­kom­men. Wir sind in fast jeder Alters­klas­se die Num­mer eins in der Regi­on und füh­ren mit jeder Mann­schaft unter­halb der U14 die Tabel­len an. Dar­über hin­aus haben wir einen extre­men Auf­bau im Per­so­nal­be­reich erlebt, mehr haupt­be­ruf­li­che Trai­ner und mehr neben­be­ruf­li­che Trai­ner, die alle­samt die nöti­gen Trai­ner­aus­bil­dun­gen vor­wei­sen kön­nen.

Du hast vie­le Jah­re auch in Deutsch­land im Nach­wuchs­be­reich gear­bei­tet, beim TSV 1860 Mün­chen spä­te­re Natio­nal­spie­ler aus­ge­bil­det. Was sind die Unter­schie­de zu Öster­reich?

Der Haupt­un­ter­schied liegt wohl in der Men­ta­li­tät. In Deutsch­land ist die Bereit­schaft, mehr Zeit in den Fuß­ball zu inves­tie­ren, höher. Wir haben eine Rei­he talen­tier­ter Bur­schen bei der Aus­tria, die noch gar nicht wis­sen, wie gut sie sind und was sie mit der rich­ti­gen Ein­stel­lung errei­chen kön­nen. Wir för­dern und for­dern die Talen­te.

Wie hat sich der Nach­wuchs­fuß­ball in den ver­gan­ge­nen zehn Jah­ren ver­än­dert?

Man kann deut­lich sehen, dass die Aus­wahl an Alter­na­tiv­sport­ar­ten grö­ßer gewor­den ist. Vor zehn oder 15 Jah­ren hat es für vie­le nur Fuß­ball gege­ben. Durch die Sozia­len Medi­en gibt es auch vie­le Ablen­kun­gen für jun­ge Spie­ler. Das alles macht es schwe­rer, sie für den Fuß­ball zu begeis­tern. Ich glau­be auch, dass die Jungs frü­her mehr gege­ben haben, um Pro­fi zu wer­den. Heu­te kommt oft die Fra­ge: ‚Was machen der Ver­ein und der Trai­ner, damit ich Pro­fi wer­de?‘. Die­se intrin­si­sche Moti­va­ti­on hat sich mei­ner Mei­nung nach ver­än­dert.

Wel­che Pro­ble­me gibt es im Nach­wuchs­fuß­ball in Öster­reich?

Der Öster­rei­chi­sche Fuß­ball­ver­band macht mit den ÖFB-Ligen eini­ges rich­tig. Auch, dass auf der regio­na­len Ebe­ne ver­sucht wird, nach dem Leis­tungs­prin­zip die Klas­sen ein­zu­tei­len, ist ein sehr guter Ansatz. Spie­ler wer­den viel eher für den Her­ren­be­reich zuge­las­sen. Das alles macht der ÖFB wirk­lich gut. Mei­ner Mei­nung nach liegt es an den Ver­ei­nen, Trai­nern, Eltern oder auch den Medi­en, die­se Grund­struk­tur auch in der Pra­xis mit Leben zu fül­len. Hier sind alle Ver­ant­wort­li­chen gefor­dert. Vor allem soll­te aber auch der Nach­wuchs­fuß­ball nicht immer nur an Ergeb­nis­sen gemes­sen wer­den.

Wor­auf ach­test Du bei jun­gen Spie­lern ganz beson­ders?

Im Bereich bis zur U12 soll­te man den Kin­dern pri­mär den Spaß am Sport ver­mit­telt, die Kin­der zu Sport­lern machen. Ab der U13 kann man dann spe­zi­fisch in die Aus­bil­dung über­ge­hen. Tech­nik, Ath­le­tik und Tak­tik gehö­ren hier zu den wich­tigs­ten Attri­bu­ten. Ein Punkt, der häu­fig unter­geht, aber sehr wich­tig ist, ist die per­sön­li­che Ent­wick­lung. Wel­chen Wil­len und wel­che Ein­stel­lung brin­ge ich mit? Wie gehe ich mit Frus­tra­ti­on um, wie set­ze ich mich gegen Wider­stand durch? Wie berei­te ich mich außer­halb des Spiel­fel­des vor? Das sind alles Kom­po­nen­ten, die in die per­sön­li­che Ent­wick­lung mit­ein­flie­ßen.

Gibt es ein Attri­but, das ein Jugend­spie­ler unbe­dingt braucht, um Pro­fi zu wer­den?

Ich glau­be nicht, dass es hier ein ein­zel­nes Attri­but gibt. Wir haben unse­re sechs Talent-Kri­te­ri­en auf­ge­stellt: Tech­nik, Tak­tik, Ath­le­tik, Zwei­kampf­ver­hal­ten, Spiel­in­tel­li­genz und Per­sön­lich­keit. Die Erfah­rung, die ich gemacht habe, ist, dass ein Spie­ler in kei­nem der sechs Berei­che unter­durch­schnitt­lich sein darf und in min­des­tens zwei der sechs Berei­che her­aus­ra­gend sein soll­te. In Deutsch­land haben wir immer zwei Spie­ler als Para­de-Bei­spie­le her­ge­nom­men: Mario Göt­ze und Mats Hum­mels. Bei­de sind Welt­meis­ter, aber mit kom­plett unter­schied­li­chen Kom­pe­ten­zen. Göt­ze, der sich mit Spiel­in­tel­li­genz und Tech­nik in die abso­lu­te Welt­klas­se ent­wi­ckelt hat, und Hum­mels, der sich mit Per­sön­lich­keit und Ath­le­tik in die abso­lu­te Welt­klas­se ent­wi­ckelt hat. Ohne den bei­den abzu­spre­chen, dass sie in den ande­ren Berei­chen nicht auch gut wären, aber sie haben kom­plett unter­schied­li­che Stär­ken für sich ent­wi­ckelt. Es ist auch unse­re Auf­ga­be, Spie­ler nicht zu stig­ma­ti­sie­ren. Der Ath­let, der die Zwei­kämp­fe gewinnt, ist genau­so ein Talent wie der Spie­ler, der 15 Über­stei­ger kann. Und man braucht bei­de Spie­ler­ty­pen in einer Mann­schaft, um etwas zu errei­chen.

Beim Wör­ther­see-Cup vor der Win­ter­pau­se waren drei Talen­te aus der Aus­tria Jugend im Pro­fi-Kader und zwei davon sind sogar zum Ein­satz gekom­men. Dür­fen sich die Aus­tria-Fans in der Zukunft auf mehr Spiel­mi­nu­ten von eige­nen Jugend­spie­lern in der Kampf­mann­schaft freu­en?

Es ist schön, dass drei Spie­ler dabei waren. Sie haben sicher die Vor­aus­set­zun­gen, dass sie ihren Weg machen kön­nen. Jetzt wird es bei allen drei Spie­lern dar­auf ankom­men, ob sie den nächs­ten Schritt in ihrer Ent­wick­lung gehen wer­den. Ich glau­be, dass die­se Ent­wick­lung auf kurz oder lang gese­hen sicher kom­men wird. Man darf nicht ver­ges­sen, dass wir erst im zwei­ten Jahr der Aka­de­mie sind. Unse­re aktu­el­le U16 ist die ers­te Mann­schaft, die wirk­lich als Aka­de­mie ange­fan­gen hat. Dort sind auch eini­ge gute Jungs dabei. Aber es wird schon noch eine Wei­le dau­ern, bis es eine kon­ti­nu­ier­li­che Zufuhr an Jugend­spie­lern für den Pro­fi­be­reich gibt.

Wie bewer­test Du die Plä­ne bezüg­lich der neu­en Struk­tur der ÖFB-Ligen, die ab der Sai­son 2024/25 grei­fen soll?

Es ist kein Geheim­nis, dass wir als einer der Ver­ei­ne gehan­delt wer­den, die dann nicht mehr zu den zwölf Teil­neh­mern der ÖFB-Jugend­li­ga gehö­ren sol­len. Es sol­len Kri­te­ri­en ange­setzt wer­den, die von Ver­ei­nen mit jun­gen Aka­de­mien oder Neu­be­wer­bern nicht zu erfül­len sind. Man soll­te nicht nur zurück, son­dern auch nach vor­ne schau­en. Ich den­ke, es wür­de Gesprächs­be­darf geben, soll­te sich das bestä­ti­gen. Nach­dem unse­re Aka­de­mie Teams sich sport­lich acht­bar schla­gen, wird es erst mal für uns nur einen Weg geben: Wir wer­den alles dar­an­set­zen, dass wir die Kri­te­ri­en, die erfüll­bar sind, auch zu 100 Pro­zent erfül­len. Sehr gefreut hat uns die Zusa­ge der Stadt Kla­gen­furt, dass sie uns, was die Infra­struk­tur betrifft, unter­stüt­zen wird. Alles ande­re wird dann nicht in unse­ren Hän­den lie­gen. Wir hof­fen, dass es zu einer fai­ren Aus­schrei­bung kom­men wird.