Die legendären 80er

Serie: Als Tür­mer den Bus repa­rier­te

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Unsere Reise durch 100 Jahre Austria geht weiter: Ohne ihn hätte Kassim Ramadani seinen Fallrückzieher-Treffer gegen Austria Wien nicht machen können, denn die punktgenaue Vorlage kam von Ewald Türmer. Der Lavanttaler brauste als Teenager immer 50 Kilometer mit dem Moped nach Klagenfurt, um für die Austria zu spielen. Später reparierte der gelernte Mechaniker sogar den Teambus bei Pannen auf der Autobahn.

Es war das uner­klär­li­che Phä­no­men der 1980er Jah­re: Wenn die Wie­ner Aus­tria nach Kla­gen­furt kam, gab es meis­tens Prü­gel für den Groß­klub aus der Bun­des­haupt­stadt. Über­all haben Pro­has­ka und Co. ihre Spie­le gewon­nen, nur nicht in Waid­manns­dorf.

Ewald Tür­mer ist der ein­zi­ge Spie­ler, der bei­des erlebt hat. Denn er war in die­ser Zeit für bei­de Klubs im Ein­satz. Ent­deckt wur­de der spä­te­re Natio­nal­team­ki­cker im frü­hen Kin­des­al­ter. „Das habe ich dem Wal­ter „Dago“ Koch zu ver­dan­ken. Er hat sei­ne Leh­re in St. Andrä absol­viert und ich bin ganz in der Nähe auf­ge­wach­sen. Schon als Klei­ner durf­te ich mit den gro­ßen Kin­dern wie dem Dago mit­ki­cken.”

Der „Ent­de­cker“ erin­nert sich: „Ich wuss­te damals noch gar nicht, wie er heißt, aber mir ist auf­ge­fal­len, dass er mit neun Jah­ren schon sehr talen­tiert war und mit den Älte­ren mit­hal­ten konn­te. Damals haben sie ihn ‚Lor­ti’ genannt.”

Als Tür­mer mit nur 16 Jah­ren bereits Tor­schüt­zen­kö­nig in der Unter­li­ga bei St. Andrä wur­de, ereil­te ihn plötz­lich der Ruf aus Kla­gen­furt. Der sechs Jah­re älte­re Koch erin­ner­te sich an des­sen Talen­te. „Uns hat ein Stür­mer gefehlt und der Ver­ein hat­te kein Geld — also habe ich sei­nen Vater gefragt, ob der Ewald zu uns kom­men mag- Und der Vater war sofort Feu­er und Flam­me”, berich­tet Koch.

So zähl­te Ewald Tür­mer mit 17 Jah­ren bereits zum Stamm­per­so­nal der Aus­tria Kla­gen­furt in der 2. Liga. „Ich habe damals bei der Post in Kla­gen­furt mei­ne Leh­re absol­viert, also hat es sich gut erge­ben. Meis­tens bin ich direkt von der Arbeit zum Trai­ning, muss­te aber noch um 19 Uhr den Bus erwi­schen, damit ich wie­der recht­zei­tig heim­kam.” Und wenn kein Bus gefah­ren ist? Dann wur­de eben das Moped vom Vater für die 50-Kilo­me­ter-Stre­cke aus­ge­lie­hen.

Unter dem dama­li­gen Trai­ner und Talen­te-För­de­rer Emil Fil­z­wie­ser konn­te Ewald Tür­mer auf Anhieb im Angriff los­le­gen. Schon im ers­ten Test­spiel gegen Rapid erziel­te er zwei Tore. „Mit dem Ober­ös­ter­rei­cher Pepe Lari­o­nows habe ich das Sturm­duo gebil­det. Er hat mir vie­le Tore auf­ge­legt, wir haben sehr gut har­mo­niert.” Und so hol­te er gleich in sei­nem zwei­ten Jahr bei der Kla­gen­fur­ter Aus­tria den Vize­meis­ter-Titel.

Aber auch abseits des Plat­zes erwies sich Tür­mer als wich­ti­ge Stüt­ze. Da die Aus­tria damals kein Geld für einen neu­en Team­bus auf­trei­ben konn­te, war die Kampf­mann­schaft mit einem alten aus­ran­gier­ten gel­ben Post­bus unter­wegs. Die­ser wur­de vom dama­li­gen Obmann Leo Marhl auf­ge­trie­ben. „Mit die­sem Bus fuh­ren wir zu den Spie­len durch ganz Öster­reich. Bei jeder Hal­te­stel­le woll­ten Leu­te zustei­gen. Irgend­wann woll­ten wir Spie­ler nicht mehr mit dem Bus fah­ren, daher hat ihn der Ver­ein vio­lett lackiert. Wir nann­ten ihn dann nur noch den Mil­ka-Bus”, erin­nert sich Hel­mut „Kin­ke“ König.

Und dann war Ewald Tür­mer gefragt. Denn auf einer Fahrt zum Aus­wärts­spiel nach Inns­bruck hat­te der alte Bus auf der Inn­tal­au­to­bahn gestreikt. „Kur­ti Ragoss­nig, unser Chauf­feur, kam nicht mehr wei­ter. Also bin ich unter den Bus gestie­gen und habe einen kaput­ten Luft­schlauch geflickt. Beim Heim­fah­ren pas­sier­te das glei­che noch ein­mal, das haben die meis­ten aber gar nicht mehr mit­be­kom­men, denn sie haben im Bus geschla­fen”, erzählt Tür­mer lachend.

Beson­ders heiß waren die Der­bys in der 2. Liga im Lavant­tal. Die Aus­tria Kla­gen­furt zu Gast beim WAC. „Das war schon ziem­lich krass“, erin­nert sich der St. Andrä­er. „Irgend­was ist immer von den hei­mi­schen Fans in mei­ne Rich­tung geru­fen wor­den … Die Fans stan­den nur einen Meter neben dem Platz.“

Doch die Ein­satz­be­reit­schaft und der Zusam­men­halt mach­ten sich bezahlt. 1982 konn­te Ewald Tür­mer mit sei­nen vio­let­ten Team­kol­le­gen end­lich den Auf­stieg in die höchs­te Spiel­klas­se fixie­ren. „Das hat wirk­lich eine Eupho­rie im gan­zen Land aus­ge­löst. Es war für alle etwas Neu­es. Etwas Auf­re­gen­des. Plötz­lich kamen auch mei­ne ehe­ma­li­gen Team­kol­le­gen von St. Andrä zu den Spie­len nach Kla­gen­furt zuschau­en.“

Mit Platz sechs und sie­ben (unter 16 Teams) konn­te die Aus­tria in den ers­ten bei­den Jah­ren in der Bun­des­li­ga über­ra­schen — dann war Ewald Tür­mer plötz­lich weg. Die Aus­tria aus Wien hat­te ihre Füh­ler nach dem Mit­tel­feld-Motor aus­ge­streckt. Ver­ant­wort­lich dafür war kein Gerin­ge­rer als „Schne­ckerl“ Pro­has­ka.

Im Som­mer 1984 durf­te ich erst­mals in das Trai­nings­la­ger des Natio­nal­teams nach Blu­denz. Ich saß an einem Tisch mit Pro­has­ka, Ober­mai­er, Pols­ter und Diha­nich. Wir haben immer Schmäh geführt. Dann mein­te Pro­has­ka: Hast du nicht Lust, zu uns zu kom­men?“ Ab Herbst spiel­te Tür­mer bei den Veil­chen in Wien.

„Das war für uns natür­lich ein gro­ßer Ver­lust. Tür­mer war ein sehr lauf­star­ker, dis­zi­pli­nier­ter Spie­ler. Aber wenn das Ange­bot aus Wien kommt, hast du kei­ne Chan­ce”, so Trai­ner Wal­ter Lude­scher.

Tür­mer stürm­te mit den Wie­nern zu sei­nem ers­ten Meis­ter­ti­tel. Man hol­te in der Sai­son gleich 54 von 60 mög­li­chen Punk­ten. Nur ein Spiel hat­te das Team ver­lo­ren. Genau — jenes in Kla­gen­furt. Die Wie­ner Aus­tria unter­lag (wie­der ein­mal) im Wör­ther­see-Sta­di­on. Dar­an konn­te auch Tür­mer — im Dress der Wie­ner — nichts ändern.

„Ich kann mich noch erin­nern. Eine Frau hat bei jeder Ball­be­rüh­rung von mir von der Tri­bü­ne geru­fen: Judas, Judas! Das war die Anna Krainz.. Das hat mich schon geär­gert. Wir haben uns trotz­dem immer gut ver­stan­den.” Nach zwei Meis­ter­ti­teln und einem Cup-Sieg kehr­te Tür­mer spä­ter wie­der in die Hei­mat zurück.

Eine Serie von Chris­ti­an Rosen­zopf

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