Die legendären 80er

Serie: Schnells­te Maus vom Wör­ther­see

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Spieler aus den Ländern des Balkans haben bei der Austria immer wieder für Begeisterung gesorgt. Einer von ihnen war Ivica Senzen. Der Dribbelkünstler wirbelte von 1982 bis 1986 für die Violetten auf der linken Außenbahn. Aufgrund seiner flinken Antritte wurde er von den Fans liebevoll als schnellste Maus vom Wörthersee bezeichnet.

Vom deut­schen Tra­di­ti­ons­klub 1860 Mün­chen kam Ivica Sen­zen nach Kla­gen­furt. Die Aus­tria war damals — im Som­mer 1982 — gera­de in die Bun­des­li­ga auf­ge­stie­gen. Der Offen­siv-Mann soll­te dazu bei­tra­gen, dass sich die Vio­let­ten in der Liga hal­ten wür­den. Doch der Wider­stand im Vor­stand gegen sei­ne Ver­pflich­tung war rie­sig. Nur mit Mühe konn­te Trai­ner Wal­ter Lude­scher den Trans­fer eines sei­ner abso­lu­ten Wunsch­spie­ler durch­bo­xen.

350.000 Schil­ling (umge­rech­net knapp 30.000 Euro) haben die Waid­manns­dor­fer für Sen­zen nach Mün­chen über­wie­sen. Ein wah­res Schnäpp­chen, auch schon in den dama­li­gen Zei­ten. Und die­ses Geld war Sen­zen bestimmt zehn­mal wert. Der 1,67 Meter klei­ne Flü­gel­flit­zer soll­te sich schon bald als Glücks­kauf erwei­sen.

Immer­hin: Sen­zen war bereits als „Assist-König“ in Deutsch­land bekannt gewor­den. Rei­hen­wei­se hat­te er Tor­jä­ger wie den spä­te­ren Welt­meis­ter Rudi Völ­ler mit sei­nen Vor­la­gen gefüt­tert.

„Als Neu­zu­gang wird man ja immer sehr genau begut­ach­tet, aber Ivica hat sich wahn­sin­nig schnell bei uns inte­griert. Wir haben sofort gese­hen: Er ist tech­nisch sehr stark und er hat­te immer ein Lächeln auf dem Gesicht. Er war der gute Geist unse­rer Trup­pe, der immer unei­gen­nüt­zig gespielt hat und trotz sei­ner Klas­se nie über­heb­lich war“, so Wal­ter „Dago“ Koch, sein dama­li­ger Team­kol­le­ge.

Weni­ger „sport­lich“ hat­te sich der Neue bei Platz­war­tin Anna Krainz vor­ge­stellt. „Ich habe ihn das ers­te Mal bei unse­rem Klub­ge­bäu­de gese­hen, Sen­zen stand am Bal­kon und rief: Du, Frau, rauchst du? Habe ich gesagt: Ja, sicher. Dann habe ich ihm die Schach­tel auf den Bal­kon geschmis­sen. Das war die ers­te Begeg­nung”, erzählt sie. Rau­chen­de Fuß­bal­ler? Kei­ne Sel­ten­heit in der dama­li­gen Zeit. Aber dazu ein ande­res Mal mehr.

Das Auge für den töd­li­chen Pass

Spä­tes­tens in der sieb­ten Run­de, beim Heim­spiel gegen Sim­me­ring (4:0), hat­te sich Sen­zen end­gül­tig in die Her­zen der Fans gespielt. Mit einem Traum­tor und zwei Assists drück­te er dem Spiel sei­nen Stem­pel auf. „Er war 50 Pro­zent unse­rer Offen­si­ve — er hat­te das Auge für den töd­li­chen Pass“, so Hel­mut König, der sich an eine lus­ti­ge Begeg­nung mit Rudi Völ­ler nach der akti­ven Lauf­bahn in Lever­ku­sen erin­nert. Dabei spra­chen sie natür­lich über den gemein­sa­men Bekann­ten.

„Rudi sag­te: Oh, mein Gott, wegen Ivica bin ich in Deutsch­land nicht Tor­schüt­zen­kö­nig gewor­den. Ich frag­te ihn: Ja, war­um? Sei­ne Ant­wort: Sen­zen habe immer wie­der Flan­ken ange­deu­tet, sei dann aber wie­der abge­dreht, und er — Rudi Völ­ler — sei immer ver­geb­lich in Posi­ti­on gelau­fen, um zu köp­feln …” Die Geschich­te ende­te mit einem herz­haf­ten Lachen.

Tat­säch­lich konn­te Sen­zen in Kla­gen­furt sehr vie­le Tore auf­le­gen. Anna Krainz erin­nert sich: „Er war die schnells­te Maus von Waid­manns­dorf. Er war immer so: Rechts spiel­te Ober­acher, links Sen­zen und in der Mit­te war der Golaut­sch­nig oder der Hrstic, die haben dann abge­staubt.”

Peter Hrstic stimmt der Erin­ne­rung zu: „Sen­zen war sicher einer der bes­ten Aus­län­der, die wir jemals hat­ten. Sei­ne Beid­bei­nig­keit, sei­ne Wen­dig­keit. Das war ein Wahn­sinn. Er konn­te mit dem Geg­ner eigent­lich machen, was er woll­te.”

Auch Aus­tria-Legen­de Ewald Tür­mer adelt Sen­zen als „drib­bel­star­ken Flü­gel­flit­zer mit genau­en, schar­fen Flan­ken.“ Über­dies habe er jedem einen Streich spie­len wol­len. „Er war ein­fach ver­dammt sym­pa­thisch“, so Tür­mer. „Ich kann mich nicht erin­nern, ihn jemals trau­rig oder frus­triert erlebt zu haben“, bestä­tigt „Dago“ Koch.

Vor­rei­ter für das Umschalt­spiel

Sport­re­por­ter-Legen­de Wil­ly Has­lit­zer erin­nert sich an ein Inter­view mit Jahr­hun­dert-Fuß­bal­ler Her­bert Pro­has­ka: „Ich woll­te wis­sen, war­um Aus­tria Wien mit den Kla­gen­fur­tern nicht zurecht­kam. Sei­ne Ant­wort: Deckst‘ den Sen­zen und den Golaut­sch­nig, kom­men der Tür­mer, der Koch und der Hrstic. Deckst‘ die auch noch, kom­men der König, der ande­re Hrstic und der See­ba­cher. Die kannst‘ ein­fach nicht decken.”

Den Begriff Umschalt­spiel hat es damals zwar noch nicht gege­ben, doch die Aus­tria hat unter Trai­ner Lude­scher bereits genau das vor­ge­lebt. Dank Spie­lern wie Ivica Sen­zen, der schnells­ten Maus vom Wör­ther­see.

Eine Serie von Chris­ti­an Rosen­zopf

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